Peter und Sabine wohnen mit ihrem dreijährigen Sohn Alois  in einem renovierten Bauernhaus in Gols. Nicht viele gehen ihren Alltag so gelassen an wie die kleine Familie.

Stressfrei & ohne streng geregelten Alltag

Wer etwas Entschleunigung und Stressfreiheit gebrauchen kann, sollte auf einen Sprung bei Peter und Sabine vorbeischauen. Nicht nur das unprätentiös renovierte Bauernhaus strahlt Ruhe aus, auch die beiden sind scheinbar von Grund auf tiefenentspannt. Sogar ihr dreijähriger Sohn Alois ist ein ziemlich gelassener Kerl …

Kein Wohn- und Kinderzimmer

Seit neun Jahren leben die beiden in dem Haus, das Peter geerbt hat. Auf den geräumigen 200 Quadratmetern gibt es keine klare Regelung, was Wohn- Gäste- oder Spielzimmer ist. Gleich drei Räume dienen als „Lebensräume“ abseits von Küche oder  Schlafzimmer. Auch ein klar definiertes Kinderzimmer gibt es nicht, weil Alois bis jetzt sowieso bei den Eltern schläft. „Das wird sich ergeben, wenn er alleine ein Zimmer will“, erklärt Sabine locker.

Ich finde, dass man in einem Haus leben muss, um zu sehen, wie man sich einrichten und wohnen will. Ein neues Haus zu bauen und dann fix und fertig einzuziehen wäre der Horror für mich.

 

Gekocht wird jeden Tag

Gekocht wird für die Familie aber trotzdem jeden Tag. Dafür wird so gut wie nie in Lokale gegangen oder auf Urlaub gefahren. „Das hier ist doch eh wie Urlaub“, erklärt Peter, der noch nie in seinem Leben in einem Flugzeug gesessen hat. Wenn’s ums Kochen und Anpflanzen geht, ist Bine in ihrem Element:

Wenn ich in anderen Häusern eine Küche sehe, in der nichts herumsteht, wundere ich mich immer wieder, ob die Leute überhaupt kochen. Bei uns darf ruhig etwas herumliegen, das stört mich überhaupt nicht, im Gegenteil.

Familienprojekt Haus

Die Vollholzküche mit gebrannten Ziegeln und einer Kupfer-Dachrinne als Rauchfang ist das – relativ kleine – Herzstück des ganzen Hauses. Ihr Bruder hat sie zu verantworten. Er ist Maurer und hat bei der Renovierung des Hauses viel geholfen. Ein Wörtchen hat auch Sabines Onkel als Architekt mitzureden gehabt.

Im Sommer wird auf dem Gasherd gekocht, im Winter auf dem Tischofen, mit dem auch gleichzeitig geheizt wird. Die Zutaten für die Mahlzeiten kommen zum Großteil aus dem eigenen Garten. Auf Hochbeten wachsen rote Rüben, Melanzani oder Paradeiser.

Gemeinsam Garteln

Ein neues Projekt wird bald noch mehr Gemüse bringen. Gemeinsam mit zehn Freunden bewirtschaften Sabine und Peter seit ein paar Monaten einen Acker – per SMS-Nachrichten wird geklärt, wer Kartoffeln, Karotten und Co. versorgen soll. Im Hof gibt es neben Gemüse auch Gänse, die die Zwei als Hochzeitsgeschenk bekommen haben. Ob sie wirklich irgendwann gegessen werden sollen, weiß das Brautpaar noch immer nicht sicher. Und die Hühner legen so viele Eier, dass die gesamte Familie damit beliefert wird.

Draußen daheim

Im Sommer spielt sich der ganze Tag auf der schattigen Terrasse ab. Mit Freunden, die oft vorbeischaun, wird dort gegessen, getrunken und getratscht

Hier spielt sich das Leben ab, wir leben im Sommer eigentlich hier draußen und gehen nur zum Schlafen rein.

Im Weingarten „Ja“ gesagt

Im Vorjahr hat das Paar geheiratet – genauso unkonventionell und locker wie sie auch ihren Alltag leben. Mit einem alten Traktor ging es in ihren Lieblings-Weingarten, den die Zwei gemeinsam bewirtschaftet haben. Dort wurde „Ja“ gesagt, ohne jede Deko und Schickschnack.

Kein Wein mehr

Den Weinbau wird Peter jetzt trotz Liebe zu seinen Weingärten aufgeben: „An sich mache ich gerne Wein, aber der Familienbetrieb hat fast nur alte Kundschaft, die noch mit Dopplern beliefert wurden. Heute müsste ich auf Messen fahren, neue Abnehmer finden, stylische Etiketten drucken. Es geht in der Weinwelt ja fast nur noch um das richtige Marketing und die Präsentation und dafür bin ich einfach nicht der Typ.“

Ohne Routine

Der Hobbymusiker und LKW-Fahrer und die Kinderbetreuerin leben lieber einen möglichst entschleunigten Alltag. Ohne Fernseher, ohne Internet am Handy –  und ohne eine feste Routine.

„Weil Peter mit dem LKW unterwegs ist, wissen wir nie genau wann er heim kommt. Fixe Abendessen gibt es bei uns also nicht. Auch Alois hat keine strengen Schlafenszeiten.“

Feuer am Dach

Die Decke der Terrasse wurde mit Holzelementen renoviert, ein Steinboden aufwendig im römischen Balg verlegt. Eigentlich sollte die Erneuerung des alten Hofs ganz langsam vonstatten gehen, aber 2014 hat ihnen ein Brand an Dach und Fassade einen Strich durch die Rechnung gemacht. „Wir waren gezwungen mehr als geplant schnellstmöglich in Schuss zu bringen, weil durch die Löscharbeiten auch die Fußböden durchnässt waren.“

Regional & nicht wählerisch

Viel Wert haben beide darauf gelegt, dass der Fichtenboden von einer österreichischen Firma kommt. Auch den Steinboden im Freien gab es von einem regionalen Anbieter. Peter: „Wir schauen jetzt nicht nach dem ultimativen Boden oder perfekten Einrichtungsgegenständen. Wir wollen, dass möglichst alles von hier kommt und ansonsten ergibt es sich schon irgendwie.“ Sabine: „Ja, ich muss nicht 15 Geschäfte abklappern, so wie das viele andere tun. Wir sind da relativ genügsam.“

Erbstücke

Auch der kleine Esstisch für maximal vier Personen reicht der Familie  aus, obwohl sie viel Besuch bekommen. 120 Jahre ist das wertvolle Stück alt, das sie von einem Tischler und guten Freund erstanden haben. „Und wenn mal mehr Leute kommen, rücken wir einfach eng zusammen und sitzen auf Alois Kindersesseln.“
Wenn es um die Haus-Einrichtung geht, sind sich die beiden einig – wie in ohnehin fast allem. „Wir streiten eigentlich nie. Uns gefällt meist auch das gleiche.“ Die rote Samtcouch hat Peter bei einer seiner großen LKW-Touren gratis aus dem Nachlass eines Schlosses mitgenommen. Viele Erbstücke halten die beiden auch in Ehren. Sabine hat alte Porzellan-Salz und Pfefferdosen ihrer Mama abgeluchst, die Vintage-Uhr in der Küche ist aus Peters Familie.

Nicht „Tiptop“

Die Einrichtung kommt so wie von selbst zusammen. „Das wächst mit der Zeit einfach, wir müssen uns da nichts kaufen, was tiptop zusammenpasst.“ Die grüne Sitzbank und der ebenfalls mit Stoff überzogene Tisch im „Winterwohnzimmer“ haben die beiden aber extra vom Tischler anfertigen lassen. „Zu Ostern hatten wir hier 20 Leute sitzen. Das ist sich alles ausgegangen. Und früher haben wir hier ferngeschaut, als wir noch einen Fernseher hatten.“

Den haben sie aber irgendwann aussortiert seit sie mit Alois ohnehin genug beschäftigt sind. Mit ihm werden ab und zu YouTube-Videos im „Medienraum“ geschaut, wo Peter vor einigen Jahren noch Bands aufgenommen hat. Das Zimmer dient jetzt vor allem als Schlafmöglichkeit für Gäste.

Dass aber nicht alles an ihrem renovierten Haus ideal ist, gibt auch das junge Paar offen zu. „Das Badezimmer könnte ein bisschen größer sein. Wir haben nur eine Dusche. Deswegen freut sich Alois umso mehr, wenn er bei Oma einmal in der Woche baden gehen kann.“

Aus der Not wird bei Peter, Sabine und Alois einfach eine Tugend gemacht …

Text: Christina Michlits
Fotos: Jasmin Andert