Im abgeschiedenen Oberwaltersdorf würde man das urbane Industrie-Loft von Ulli und Thomas nicht auf Anhieb vermuten. Die beiden haben eigentlich nach Wohnungen in Wien gesucht und nicht in ihrer ursprünglichen Heimat – Niederösterreich.  Die Architektin über ihre Träumereien:

Zum Spaß haben wir uns immer wieder Lofts in Wien angesehen, aber wir dachten ohnehin, dass wir uns so etwas nicht leisten können. Wir haben nur immer wieder davon geträumt.

Rohbau gekauft

Vor zwei Jahren wurde sie dann aber von ihrer Schwiegermutter auf die alte Spinnerei aufmerksam gemacht, die damals gerade zu Wohneinheiten umgebaut wurde.

„Wir waren die ersten, die sich das Projekt angesehen haben und weil wir unbedingt genau diese Einheit wollten – die anderen waren mit mehr als 200 m2 zu groß oder die Aufteilung hat uns nicht gefallen – haben wir ziemlich schnell zugesagt“, so Thomas über ihr 140 m2 Loft, das sie um 270.000 Euro als Rohbau gekauft und dann aufwendig ausgebaut haben.

Der Produktmanager von computergesteuerten Beinprothesen hat vor seiner Einkehr in Oberwaltersdorf auch in Kanada gelebt. Kurz bevor er wegen eines Jobs ausgewandert ist, hatte er Ulli bei einer Grillfeier kennengelernt. Zunächst gab es nur sporadischen Kontakt. „Ich wollte mich auf nichts einlassen, weil ich ja wusste, dass er ins Ausland geht“, erzählt Ulli über ihre Anfänge.

Unglücklich in Kanada

Glücklich wurde Thomas aber nicht in der kanadischen Großstadt – im Gegenteil.

Es gab keine alternative Szene und fast keinen Kontakt zu interessanten Leuten. Außerdem ging es der Firma, für die ich gearbeitet habe, finanziell auch nicht rosig. Noch dazu hat mir mein Bruder nach einem Jahr am Telefon verkündet, dass er Vater wird. Das hat mir gezeigt, wie viel ich versäume, wenn ich alleine in Kanada herumsitze und nicht bei meinen Freunden und meiner Familie sein kann.

Also ging es nach einem Jahr zurück nach Österreich – und zu Ulli. Bei einer zweiten Grillfeier wurden Nägel mit Köpfen gemacht. Seit vier Jahren sind sie ein Paar, vor einem Jahr haben sie geheiratet. Die beiden lebten zunächst gemeinsam in Wien, bevor es das harmonische Duo wegen ihrer neuen Wohnung wieder nach Niederösterreich verschlug.

Kamin statt Badewanne

Ulli ist begeisterter Architekturfan und Thomas wurde durch mehrere „Design-Reisen“ bald auch zu einem, bei denen sie bekannte Häuser von Frank Lloyd Wright in Pittsburgh und Co. begutachteten.

Geplant wurde der Ausbau des Lofts daher natürlich gemeinsam, die Firmen angeheuert hat aber Ulli – durch ihren Job im Baugewerbe hatte sie im Vorfeld schon unzählige Kontakte. Einige ihrer Vorstellungen musste sie zum Teil aber wieder verwerfen:

Wichtig war uns, den offenen Charakter so gut wie möglich zu bewahren. Anfangs wollten wir sogar eine freistehende Badewanne ins Wohnzimmer stellen. Das wäre aber extrem aufwendig geworden –  wegen dem Boden, der dicht sein musste. Deswegen haben wir mit diesem Budget am Ende einen Kamin eingebaut, von dem wir jetzt ganz begeistert sind.

Einsehbares Bad – nichts für jedermann

Das Badezimmer ist noch immer äußerst offen gehalten. Direkt neben Couch und Fernseher befinden sich die Waschbecken. In die Dusche geht man durch eine Glastüre, die teilweise vom Wohnzimmer einsehbar ist. Nur das Gästezimmer- und bad wurden neben der Toilette mit Türen versehen.

Wir haben viele Gäste und die mögen es oft privater. Sie finden unsere Wohnung zwar toll, aber die meisten sagen, dass sie nicht so leben könnten.

Gut organisiert war der Ausbau in jedem Fall. Die beiden sind sogar einige tausend Euro unter dem vorab einkalkulierten Budget geblieben – davon können viele andere Hausbauer nur träumen.

Ordnung muss sein

Für Chaoten und G‘schamige ist das Loft tatsächlich nicht wirklich ideal. Im Grunde kann sich das Paar nicht einmal anziehen, ohne theoretisch durch die Fenster auf der Nord- und Südseite beobachtet zu werden. Vorhänge gibt es keine, zumindest aber Rollläden – die allerdings selten benutzt werden.

Wir sind sehr ordentlich. Das ist sicher wichtig, weil wirklich alles ständig zu sehen ist. Von der Zahnbürste bis zu Büro-Unterlagen.

Die Ordnungsliebe bemerkt man spätestens dann, wenn man das Bücherregal sieht, das nach Farben geordnet ist.

Die Farben Weiß und Rot dominieren in dem aufgeräumten aber wohnlichen Loft, dessen Herzstück ein großer Holztisch ist, den das Gespann bei einem Spontankauf in einem Shop in der Nähe ergattert hat. Gesäumt ist der große Tisch von jeweils zwei gleichen Designer-Stühlen. „Ich glaube, es ist ein Architekten-Spleen, dass man auf Charles-Eames-Sessel steht“, lacht Ulli, deren ganzer Stolz aber die Esstisch-Lampe ist.

Schmuckstück: Panton-Lampe aus den 60ern

Aus dem Dorotheum hat sie das futuristische Verner Panton-Schmuckstück um 500 Euro ersteigert. Neuwert der „Globe 40“: 1200 Euro. „Es war extrem aufwendig, die Lampe zu transportieren und ehrlich gesagt gibt sie auch sehr wenig Licht. Aber dafür haben wir ja genügend Spots an der Decke“, nimmt’s die 34-Jährige locker.

Um möglichst flexibel zu sein, was Beleuchtung und Einrichtung angeht, wurden Lichtschienen von Molto Luce in der ganzen Wohnung angebracht.

Bett in luftiger Höhe

Geschlafen wird in der 140m2 Wohnung auf dem „Dach“ eines Kubus, der den Eingangsbereich, die Küche und das Wohnzimmer visuell trennt. Durch eine kleine steile Treppe geht es ins „Schlafzimmer“ hinauf, das nach allen Seiten offen ist. Kindersicher ist das Loft also nicht gerade, auch wenn die Aussicht bei den jungen Gästen für Begeisterung sorgt.

Küche mit verstecktem Stauraum

Die Küche hat sich das Paar von „Faulmann und Faulmann“ in Wien planen lassen. Zum Teil ist sie mit überraschend viel Stauraum in den Kubus integriert, die Kücheninsel ziert eine Steinplatte, bei den Geräten haben sich die beiden High End Produkte von Gaggenau entschieden.

Auch bei den Türen wollten sie nicht sparen. Denn die zargenlosen, flächenbündigen Türen in Überhöhe lassen das Viereck in der Mitte durch wenig störende Elemente erst richtig zur Geltung kommen.

Geschliffener Estrich mit PU Beschichtung

Auch der Fußboden sollte aus einem Guß sein. Das ganze Loft wurde mit einem Sicht-Estrich versehen, der geschliffen und dann mit einer klaren, hochglänzenden PU-Beschichtung behandelt wurde.

Vor der Behandlung war der Estrich grau, so wie man sich Beton eben vorstellt. Aber jeder Boden wird nach dem Schleifen anders. Unserer wurde ungewöhnlich braun, was uns aber überhaupt nicht stört.

Wer Ulli kennt, weiß außerdem, dass sie bei jedem noch so kleinen Detail mitsprechen will.

Mir war auch wichtig, dass ich entscheide, wo genau die Fugen im Boden hinkommen sollen. Ab einer Größe von 40m2 bleiben sie einem beim Sicht-Estrich nicht erspart.

Hier bleibt man gerne picken

Ganz fertig ist die Wohnung noch immer nicht. Viele ihrer alten Möbel wollen die beiden nach und nach austauschen.

Als nächstes steht nun aber Gartenarbeit an. „Um den wollen wir uns jetzt kümmern, wenn es wärmer wird.“ Und das Stadtleben? Wien geht Ulli und Thomas keine Minute ab. Während der Produktmanager ohnehin noch mehrmals die Woche wegen seines Jobs nach Wien pendelt, arbeitet die Architektin seit einiger Zeit nun ganz in Nähe der alten Spinnerei.

Wir laden gerne Freunde ein, die dann oft hier ‚picken‘ bleiben. Das taugt uns. Daher war uns das Gästezimmer auch sehr wichtig.

Das schmucke Loft in der neuen alten Heimat der beiden eignet sich zum Leben als auch zum Feiern allemal ausgezeichnet …

 

Autor: Christina Michlits
Fotos: Jasmin Andert

Infos zur „Alten Spinnerei“

1819 wurde das dreigeschossige Fabriksgebäude in Betrieb genommen. In unmittelbarer Nähe entstand auch eine kleine Wohnsiedlung für Arbeiter. Die Spinnerei und Weberei stand bis 1941 in Betrieb. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Areal zu einer Präzisionsschraubenfabrik umgebaut, 1945 aber bereits stillgelegt. Danach wurden die Räumlichkeiten als Lager genutzt.

Richard Pfaffstaller kaufte das Anwesen bis 2008 schließlich in mehreren Etappen auf. Bis 2012 wurde die gesamte Fabrik einer Grundsanierung unterzogen. Einige Lofts sind noch zu kaufen. Mehr dazu: Alte Spinnerei