Unglaubliche zehn Jahre haben die Van Hoornes auf kleinstem Raum in einem finsteren Haus ohne Küche gelebt – heute residieren sie direkt am Neusiedler See auf einem wunderschönen Anwesen mit direktem Seezugang. Die Bodenständigkeit von damals haben sich Annemieke und Arie aber bewahrt.

Spontan ein Haus gekauft

Vor 37 Jahren hat es Arie van Hoorne als Schilfdecker immer wieder von Holland an den Neusiedler See getrieben. Aus Nebenjobs wurden immer größere Aufträge. Kurzerhand hat er damals ein Haus in St. Andrä am Zicksee gekauft – ohne dass es Ehefrau Annemieke vorher zu Gesicht bekam. Das Paar hat ihr Haus in den Niederlanden nahe Rotterdam verkauft und ist schließlich mit Sack, Pack und ihren drei kleinen Kindern ins Burgenland übersiedelt.

Schilfarbeiten beim neuen Restaurant "das FRITZ" in Weiden am See

Ohne Küche gelebt

Die ersten Jahre waren wenig annehmlich, wie Annemieke heute belustigt schildert.

Das erste Haus war eigentlich eine Zumutung. Die Kinder mussten zu dritt in einem Zimmer ohne richtiges Fenster schlafen. Gekocht habe ich zehn Jahre lang in einem Gang ohne Heizung mit einer Gaskartusche auf dem Kühlschrank. Aber diese räumliche Nähe hat uns als Familie sicher enger zusammenwachsen lassen. Uns ist nichts abgegangen.

Die heute erwachsenen Kinder Koos, Maaike und Pleuni möchten diese Zeit keinesfalls missen. Das, was an dem Haus gefehlt hat, hat das Dorfleben wieder wett gemach, erklären sie einhellig. „Wir sind mit offenen Armen in die Dorfgemeinschaft aufgenommen worden.“

Aber Arie hatte ohnehin schon auf die Bauplätze direkt am Wasser in Weiden am See geschielt, seit er hier als Schilfdecker gebraucht wurde. Fast alle Ferienwohnungen die dort am See liegen, hat er eingedeckt. Nach 15 Jahren in St. Andrä, baute die Familie dann auch tatsächlich dort, wo viele Wiener heute ihre teuren Zweitwohnsitze beziehen.

Leben am Wasser

Eines der größeren Häuser auf der „Insel“, wie die Van Hoornes die kleine Siedlung bezeichnet, nennt die holländische Familie ihr eigen. Zum Anwesen gehört auch ein gepflegter Garten mit zwei Terrassen und ein direkter Zugang zum Neusiedler See. Ein Luxus, den vor allem Annemieke nutzt, um schon frühmorgens mit dem Kanu ein paar Runden am Wasser zu drehen. Schwimmen geht sie in der kleinen Privatbucht aber nicht alleine. 

„Irgendjemand hat mir erzählt, dass sich ein Wels gerne in Buchten wie unseren aufhält. Und ein Wels kann hier sehr groß werden. Daher mag ich nicht alleine ins Wasser gehen. Ein bisschen verrückt, ich weiß“, lacht die 53-Jährige.

Alles aus Holland importiert

Gebaut hat das Paar ihr Heim zum Größtenteil selbst. Arie hat nicht nur das Dach eingedeckt, auch der Lärchen-Fußboden wurde von ihm und Sohn Koos selbst verlegt. Fast alles hier ist Handwerk aus Holland.

Ein befreundeter Zimmermann aus der Heimat hat die Holzdecken und Türen gemacht, ja sogar die Küche stammt von ihm. Auch der Steinboden wurde importiert. Das aufwendig behandelte Glas in den Türen, die Teppiche – alles aus den Niederlanden mit kleinen LKWs ins Haus der Van Hoornes transportiert.

Zu viel Altes

Dass das Paar an der alten Heimat und seinen Wurzeln hängt, wird auf den ersten Blick ins schmücke Haus klar. Außerdem sind Aries Leidenschaft Antiquitäten. Nicht immer zur Freude seiner Frau.

Das Haus sieht aus wie in Holland der 1930er Jahre. Noch dazu sammelt Arie Antiquitäten. Das ist mir mit der Zeit jetzt etwas zu viel geworden. Derzeit ändern wir einiges um. Ich will mehr Modernes mit unseren alten Möbeln mischen.

Arie ist davon weniger angetan, aber er lässt seine Frau gewähren. Ein größeres Fenster in der Küche soll auch schon bald den kleinen Esstisch erhellen, auf dem – typisch holländisch – ein kleiner Teppich liegt. Warum das so ist, das wissen die beiden aber selbst nicht so genau.

Erbschätze aufwendig gesammelt

Eine neue Couch mischt sich bereits im Wohnzimmer mit den 130 Jahre alten Stühlen, die Annemieke von ihrer Oma hat – mit Originalbezug. 

So gut wie alles hier sind alte, wertvolle Stücke, die die beiden zusammengetragen haben. Das handbemalte Geschirr, das nur zu Weihnachten aus der Vitrine kommt, hat man sich zur Hochzeit und anderen Anlässen schenken lassen. Das Silber stammt aus der eigenen Familie. Vor allem die Tante von Annemieke hat beim Finden der „Erbschätze“ mitgeholfen.

Teilweise habe ich sogar die Einrichtungsgegenstände, die mein Großvater zum Antiquitätenhändler gebracht hat, wieder zurückgekauft.

Kinder müssen selbst verdienen

Nachdem die Kinder längst ausgezogen sind, kümmert sich das Paar jetzt nur allzu gerne um den Nachwuchs von Tochter Maaike, die als Ärztin tätig ist. Aber anders als früher, wollen sie selbst nun auch nicht mehr zu kurz kommen und ihre freie Zeit genießen. Arie erklärt die holländischen Gepflogenheiten locker aber bestimmt:

„Wir haben allen drei Kindern ihre Ausbildung finanziert. Damit sind sie nun auch auf sich gestellt. In Holland bezahlen die Eltern kein Haus oder eine Wohnung, so wie das hier teilweise üblich ist. Das muss man sich selbst verdienen. Geerbt wird erst, wenn wir gestorben sind – wenn was übrig ist“, lacht der Schilf-Händler, der auch gerade am Bau eines riesigen See-Restaurants in Weiden am See beteiligt ist.

Nicht die letzte Station?

Annemieke gibt ihrem Mann recht: „Wir haben mit nichts angefangen und mussten uns alles selbst erarbeiten. Noch dazu weil mein Vater ja eigentlich wollte, dass ich den Bauernhof von ihm übernehme. Mit dem Umzug nach Österreich war er nie einverstanden. Und ich selbst habe den Hof ja auch wirklich geliebt und das Arbeiten mit den Tieren. Kühe sind noch heute meine Lieblingstiere. Am Liebsten würde ich mir welche zulegen.“

Für eine Kuh ist das an sich große Anwesen auf der Seeinsel zwar etwas zu klein, aber wer weiß, vielleicht zieht es das spontane Paar ja auch noch woanders hin.

Eigentlich waren wir nicht die Typen, die ewig an einem Platz bleiben. Vor allem Arie sucht immer nach etwas Neuem, wenn etwas fertig gebaut ist. Deswegen will ich den Platz rund um den Kamin im Wohnzimmer schon seit elf Jahren nicht fertig machen – sonst kommt Arie noch auf dumme Ideen und will weg.

Viel schöner – holländischer und schilfbedeckter – als die Van Hoornes kann man in Österreich aber ohnehin nicht wohnen.

 

 

Text: Christina Michlits
Fotos: Jasmin Andert