Es ist schwer zu sagen, ob Werner Michlits ein absolutes Vorbild in Sachen „Work-Life-Balance“ ist, oder das genaue Gegenteil davon. Auf die Frage, ob er gerne  öfter ausspannen würde, um die Seele baumeln zu lassen, antwortet er entschieden: „Arbeit ist Leben“. Für den Demeter-Bauern gibt es ganz bewusst keine Teilung zwischen Arbeit und Privatleben.

Schon seit Jahrzehnten wird eine strenge Arbeitsdisziplin in seiner Großfamilie gepflegt, die offenbar mit Erfolg an die jüngere Generation übergeschwappt ist. Seit 12 Jahren macht Werner (37) im elterlichen Landwirtschaftsbetrieb gemeinsam mit Angela (39) Bio-Wein.

Seine Frau hat er in Deutschland beim Önologie-Studium kennen und lieben gelernt. Die Leidenschaft für die Natur und den Bauernhof teilt das Paar bedingungslos. Angela ist dafür sogar mit dem Landwirt von ihrer Heimat Deutschland ins kleine Grenz-Dörfchen Pamhagen ins Burgenland gezogen.

Dorfleben

Einfach war und ist es hier nicht immer, was die Offenheit gegenüber der Demeter-Bauern angeht. Das strenge Bio-Siegel sieht sich als ganzheitliche Methode, als eine Lebenseinstellung. Auch die christliche Religion spielt dabei eine wesentliche Rolle und verschwimmt mit leicht esoterisch angehauchten Prinzipien. Mit derlei „Verrücktheiten“ können im Dorf nicht alle etwas anfangen. Werner lebt die von Rudolf Steiner 1910 gegründete Lehrweise dennoch in jeglicher Hinsicht und allen Lebenslagen. „Für sogenanntes Neues oder Anderes sind eben nicht alle offen, das muss man hinnehmen.“

Meinklang

Nicht nur das Paar arbeitet auf dem Hof nach biologisch-dynamischen Werten, auch die zwei Brüder von Werner sind für einen Teil des riesigen Betriebes verantwortlich. Der Jüngste kümmert sich um die Pferde und Angus-Rinder, die in Ungarn weiden. Hannes – der Mittlere – ist Profi in Sachen Getreide  – und Werner – der „Dienstälteste“ –  ist für den Weinbau verantwortlich. Und in allem verwoben sind die Eltern unermüdlich dabei.

Mit ihrem naturbelassenen Wein hat sich die Familie bislang den größten Namen gemacht. Unter der Marke „Meinklang“ vertreiben die Michlits‘ veganen, preisgekrönten Rebensaft –  30 Hektar Anbaufläche bearbeiten sie dafür selbst. Es ist also einiges zu tun für  die Großfamilie, die in dem 1600-Einwohner-Dorf  in einem komplett renovierten Bauernhaus unter einem Dach lebt.

Haus aus zwei Teilen

Die Geschwister Lukas und Hannes sind zwar längst ausgezogen, das Haus ist aber nach wie vor belebt. Architektin Reinhilde Tschida (Büro MuT) ist die Schwester von Senior-Chefin Anneliese und hat den funktionellen Bau mit viel Holz und Sichtbeton entworfen. In zwei getrennt begehbaren Teilen wohnen zum einen Anneliese und Werner Senior. Im um einiges größeren Modul lebt Werner Junior und Angela mit ihren mittlerweile vier Kindern –  Helena, Alma, Vincent und Seraphin. Aus der Ruhe lässt man sich hier auch mit vier Sprösslingen nicht bringen. Denn trotz ständiger Arbeit und wenig Ruhepausen, geht es am Hof nicht stressig zu. Hetzen will sich hier niemand lassen. Stattdessen gibt es viel Routine und entschlossene Spontanität bei Überraschungen, die sich auf einem Bauernhof unweigerlich einstellen.

Fleisch zur Bodenhaftung

Gekocht wird jeden Tag von einer Haushälterin für alle Familienmitglieder  –  vorzugsweise vegetarisch und vor allem pannonisch. Über Fleischkonsum hat der 37-Jährige ganz eigene Ansichten. „Es heißt, Fleisch gibt Bodenhaftung. Aber Pflanzen wie Getreide lassen den Geist empor steigen und regen viel mehr zum Denken an.“

Wenn Fleisch am Esstisch steht, dann kommt es ausnahmslos vom eigenen Hof, wie der Familienvater erklärt.

Ein Hendl ist für mich wirklich Luxus, und ich liebe es, weil ich vielleicht drei Mal im Jahr eines esse – aus unserem Hühnerstall.

Mit der 12 Jahre alten Küche ist er allerdings nicht mehr ganz glücklich, obwohl die  mattweiße Oberfläche ohne Außengriffe derzeit auch fast in allen neu gebauten Häusern zu sehen ist  – aber vielleicht liegt’s ja gerade daran. Der Bio-Bauer würde heute jedenfalls keine weißen Fronten mehr wählen und viel mehr Platz einplanen.

Jetzt wird uns die Küche schön langsam zu eng. Wenn ich was ändern könnte, würde ich den Essbereich vergrößern. Mit vier Kindern haben Gäste hier nur noch bedingt Platz.

Heilige Kuh

Während Angela mit den Töchtern zum Reiten fährt, zeigt Werner den großzügigen Verkostungsraum. Dort wird mit Gästen aber weniger oft eingekehrt als ursprünglich geplant – offenbar lässt es sich im Keller neben den Barrique- und Betonfässern doch besser über Wein philosophieren als im luftigen, nur durch Stufen begehbaren Degustationsraum. Beinahe der gesamte Hof ist unterkellert, in dem sich auch das Bild von Künstler und Grafiker Nikolaus Eberstaller findet, das den Ursprung für die Etiketten des Meinklang-Weins bildet.

Das Motiv der Kuh zeigt den Kreislauf einer gelungenen Landwirtschaft für uns am besten auf. Es ist für mich bis heute eines der passendsten Bilder für Biodynamik.

Nicht zuletzt weil in einem landwirtschaftlichen Demeter-Betrieb die Tierhaltung obligatorisch ist und Kuhörner zum jährlich begangenen Ritus für Fruchtbarkeit gehören, wie der Bio-Bauer neben vielen anderen Details erklärt. Schon nach ein paar Minuten wird klar, dass sich Michlits der Steiner-Philosphie mit größter Leidenschaft verschrieben hat. Für Laien kann das schnell in einem Overkill an Informationen enden, die sich bei erstem Herantasten an die Thematik durchaus abwegig anhören.

Heilige Hallen

Werner zeigt im Keller auch die „heiligen Hallen“, in denen Utensilien wie Hörner und Holzkisten mit Dünger für die Riten der sogenannten Anthroposophie aufbewahrt werden.

Astrologie spielt eine wichtige Rolle, wenn der Mensch im Einklang mit der Natur leben will. Aber auch der christliche Glaube hat viel mit Demeter zu tun.

Waldorf Schule gegründet

Angela und Werner haben sich nicht nur der Anthroposophie von Steiner verschrieben, die beiden haben auch in langwieriger Arbeit und trotz Widrigkeiten eine Waldorf Schule ins Leben gerufen. Nach einigen Jahren in Pamhagen, ist die Schule nun nach Neusiedl am See abgewandert – auch weil es dort viel mehr Interessenten für die alternative Pädagogik-Einrichtung gab.

Die ganzen bürokratischen Hürden bis hin zu den Anmeldungen der Kinder organisiert das umtriebige Paar gemeinsam – langweilig wird den Michlits‘ also ganz sicher nicht.

So etwas wie Freizeit gibt es selten. Wir machen auch kaum Urlaub. Wir haben uns hier einfach eine Umgebung geschaffen, in der wir leben wollen. Wenn es mal tatsächlich auf Urlaub geht, dann gerne nach Schweden.

Die viele Arbeit scheint die relaxte Familie nicht zu stören –  im Gegenteil. Um wirkliche Zufriedenheit zu finden, braucht es für beide die Arbeit in und mit der Natur. Auch die äußerst selbstständig erzogenen Kinder scheinen ihren Alltag auf dem modernen Bauernhof zwischen Pferden und Kühen in vollen Zügen zu genießen. Und diese Tatsache macht die Familie wohl am glücklichsten.

Meinklang
Familie Michlits
Hauptstraße 86
A-7152 Pamhagen
T +43 2174 2168-11

Text: Christina Michlits
Fotos: Jasmin Andert