Als ich auf einem LSD-Trip war, musste ich helfen, ein Schwein abzustechen. Seither esse ich kein Fleisch mehr.

Solche einprägsam-skurrilen Gedankensplitter gibt Franz Gyolcs immer wieder ganz nebenbei von sich. Sein halluzinogener Blutrausch ist mehr als 30 Jahre her, noch immer aber ist Fleisch für ihn tabu.

Der Künstler und Steinmetz hat nicht zuletzt dank einer langen und intensiven „Sturm und Drang“-Zeit viel zu erzählen. Gemeinsam mit einem Studienkollegen wurde vor 20 Jahren der abgelegene Kleylehof bei Halbturn im Burgenland als Atelier gemietet. Dort wurde viel gearbeitet … und noch mehr gefeiert.

Bildhauer, Maler und Steinmetz Franz Gyolcs hat den Kleylehof vor 20 Jahren für sich entdeckt und den abgeschiedenen Gutshof zu seinem Zuhause gemacht.

Die fetten Jahre sind vorbei

Heute sind die wilden Zeiten allerdings vorbei. Seit der 56-Jährige vor einigen Monaten von einem Gehirn-Aneurysma wieder genesen ist, verzichtet er auf Alkohol und Zigaretten. „Und es geht mir eigentlich ganz gut dabei“, lacht der Alleskönner im Gespräch auf seinem selbstgezimmerten Balkon.

Steingarten statt Skulpturen

Seit zehn Jahren hat der ausgebildete Bildhauer keine Kunstwerke im klassischen Sinn mehr geschaffen.

Ich habe einfach keine Lust mehr darauf. Mein Kunstwerk ist der Garten. Seit zehn Jahren arbeite ich an dem Steingarten. Jeden einzelnen Stein habe ich verlegt. Das ist ein einziges großes Kunstwerk, aber verdienen tut man damit eben nichts.

Sein abgeschiedenes Leben am Kleylehof finanziert er sich mit Restaurationsarbeiten in Friedhöfen oder am Kalvarienberg in Frauenkirchen.

Nur zur Miete

Bei den Schilderungen über seine Karriere stapelt er tief. Über die Arbeiten in seinem Haus erzählt er etwas lieber. Aus einem Kuhstall am Hof wurde sein Domizil, in das er viel Geld investiert hat – das ihm aber dennoch nicht gehört.

Der Kleylehof gehört der Grafschaft in Halbturn, mein Mietvertrag läuft immer nur für ein Jahr. Daher haben mich auch viele gefragt, ob ich verrückt bin, als ich die Räume auf meine Kosten hier renoviert habe.

Aber um Besitz geht es Gyolcs ohnehin nicht. Sein erstes Haus in Andau – ein altes Bauernhaus, das vom Multitalent ebenfalls komplett renoviert wurde – hat er seinen zwei Töchtern und seiner zweiten Ex-Frau überlassen.

Ein kaltes Loft

Jetzt lebt der 56-Jährige allein in einem großzügigen Loft über seinem Ausstellungsraum. Nur das Badezimmer und ein kleiner Abstellraum sind getrennt begehbar.

Den riesigen Raum lassen Bücherregale und große Pflanzen nicht karg aussehen. „Wenn einem Freund eine Blume zu groß wird, gibt er sie mir. Obwohl ich es auch schön finden würde, wenn alle Pflanzen mal rauskommen würden und es hier leerer wird.“

Perserteppich & Flohmarkt

Den mehr als 100 Jahre alten Perserteppich im Essbereich hat Gyolcs aus dem Dorotheum in Salzburg. Die schwarzen Holzsessel sind vom Flohmarkt, ebenso wie der Esstisch.

Ich wollte mehr von diesen Sesseln, aber es gab nur noch die vier Stück. Angeblich sind es Designer-Teile, aber ich hab noch nicht recherchiert, ob das wirklich stimmt.

Auf  Freuds Couch

Ein wirkliches Schmuckstück ist der Chaise Lounge aus der Zeit um die Jahrhundertwende und für den Künstler eine Hommage an die Psychoanalyse von Sigmund Freud.

Den Ottomane habe ich auf einem Auto-Anhänger entdeckt. Der gehörte ungarischen Altwarentandler, denen ich nachgefahren bin. Um 20 Euro habe ich ihn bekommen – und um 400 Euro restaurieren lassen.

Anmerkung: Freuds Couch war der orientalische Typus eines Deewans, der vor allem zur Zeit des Psychoanalytikers „Ottomane“ genannt wurde.

Asien-Auskenner

Mit einer freistehenden Treppe im Raum geht es schließlich noch  in den offenen Schlafbereich hinauf.

Oben hat es im Winter fast 30 Grad, weil die Wärme aufsteigt, aber im Wohnbereich habe ich nie mehr als 18 Grad.

Geheizt werden die ganzen 90 Quadratmeter Wohnfläche mit einem urigen Bullerjan Holzofen. Aber ist das nicht zu kalt, um sich wirklich wohlzufühlen?

„Ach, nein. Im Winter fahre ich ohnehin meist für einige Wochen nach Asien. Da entkomme ich der Kälte daheim“, so die unkonventionelle Antwort, die typisch ist für den Künstler. Die buddhistischen Figuren im Regal neben der Couch sind Mitbringsel von den Reisen, die in der Regel zwischen vier und acht Wochen dauern. Das Lieblingsland des Asien-Auskenners?

Ich reise gerne nach Indien. Aber Nepal finde ich am schönsten. Die Landschaft ist wunderschön, die Leute sind nett, es ist alles so einfach.

Einsam fühlt sich Franz Gyolcs trotz der Abgeschiedenheit am Kleylehof nicht. Im Gegenteil. Er mag das Alleinsein und ist froh, den Leuten im Dorf nicht zu begegnen.

Wenn ich will, bekomme ich genug Besuch. Ich finde es gut, wenn man nur die sieht, die man auch sehen will.

Und sein Sohn Dani wohnt ja auch noch hier am Hof – in einer kleinen Wohnung im Erdgeschoß. Der findet den ungewöhnlichen Lebensstil seines Vaters offenbar gar nicht so verkehrt …

Ausbildung & der Weg zum Kleylehof

Seine Karriere als Bildhauer hat Franz Gyolcs dem Tod seines Großvaters zu „verdanken“, wie er selbst sagt. Durch die Beerdigung war in der Familie zu wenig Geld da, um ihn auf die damals noch private Handelsschule in Frauenkirchen zu schicken – obwohl er die Aufnahmeprüfung schon positiv absolviert hatte.

Die Chefin der Steinmetz-Firma, die den Grabstein verkaufte, schlug dem damals 15-Jährigen eine Lehre bei ihr vor. „Der Alltag dort war ein reiner Hilfsjob, ich habe nur Steine geschleppt“.

Bis zum Meister machte Gyolcs weiter – um danach allerdings Kurse als Bildhauer und Aktzeichner zu belegen und schließlich bei Alfred Hrdlicka an der Angewandten Bildhauerei zu studieren. Sein Diplom legte er dann an der Universität der Bildenden Künste ab.

Die Diplomarbeit ist bis heute der bekannteste Werkzyklus von Gyolcs: die „sieben, große Könige“ – überlebensgroße Skulpturen aus Holz, die Archetypen des Menschen darstellen sollen.

Die Könige: Seine bekanntesten Werke

Infos zum Kleylehof

Der Kleylehof gehört zu den Gutshöfen im Burgenland, auf denen vor allem Rinderzucht betrieben wurde. Mehr als 300 Personen lebten zum Teil auf dem landwirtschaftlichen Großbetrieb nahe Nickelsdorf. Bis in die 1950er Jahre wurde dort landwirtschaftlich gearbeitet. Gehören tut das Gut dem Grafen Markus Königsegg-Aulendorf – auch Schlossherr von Halbturn. Durch Franz Gyolcs und seinen künstlerischen Wegbegleitern hat sich der Hof zu einem künstlerischen Mittelpunkt im Nordburgenland entwickelt.

Text: Christina Michlits
Fotos: Jasmin Andert